Energie
Boom bei «Balkonkraftwerken» schon vor geplanten Vereinfachungen
5.07.2023, 14:07
Immer mehr Bürger in Deutschland haben an ihren Häusern oder Wohnungen eigene kleine Solaranlagen installiert. Die Zahl der sogenannten Balkonkraftwerke hat sich seit Jahresbeginn verdoppelt, wie aus dem Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur hervorgeht. Aktuell zeigt das Register rund 230 000 Steckerfertige Erzeugungsanlagen - so der offizielle Name. Für knapp 137 000 davon - also mehr als die Hälfte - liegt das Inbetriebnahmedatum im laufenden Jahr.
Die Zahl der Anlagen dürfte sogar noch höher sein. Laut Bundesnetzagentur gibt es im Register noch etwa 30 000 weitere Anlagen mit einer Leistung unter 1 Kilowatt, von denen nicht klar ist, ob sie ebenfalls Balkonkraftwerke sind. Hinzu kommt eine unbekannte Zahl an - entgegen der gesetzlichen Vorgaben - nicht registrierten und nicht beim Stromanbieter angemeldeten Anlagen.
Die kleinen und vergleichsweise billigen Balkonkraftwerke haben seit vergangenem Jahr - auch wegen der stark gestiegenen Strompreise - an Popularität gewonnen. In der Regel bestehen sie aus ein bis zwei Solarmodulen und einem Wechselrichter. Dieser wandelt den Solarstrom in Haushaltsstrom um, der direkt in die Steckdose eingespeist werden kann. Mit dem Strom können dann Haushaltsgeräte betrieben werden. Im Gegenzug wird weniger Strom aus dem öffentlichen Stromnetz bezogen. Ob sich ein solches System lohnt, hängt laut Verbraucherzentrale unter anderem von Anschaffungspreis und Strompreis ab, aber auch davon, ob das Modul möglichst lange und viel Sonne bekommt.
Trotz des starken Wachstums spielen die Kraftwerke aber noch keine allzu große Rolle bei der Stromerzeugung. Selbst wenn man die 30 000 Anlagen mit unklarem Status hinzuzählt, kommen sie laut Bundesnetzagentur nur auf eine Gesamtleistung von 170 Megawatt und dürften im Jahr maximal 170 Gigawattstunden erzeugen. Das sind 0,3 Promille des deutschen Stromverbrauchs.
Die Bundesregierung will die Installation der Anlagen allerdings weiter erleichtern und dem Thema so einen weiteren Schub geben. Nach einem Referentenentwurf des Justizministeriums soll Mietern und Wohnungseigentümern die Installation erleichtert werden. Sie sollen einen gesetzlichen Anspruch auf das Anbringen der Geräte bekommen. Die Notwendigkeit, einen Antrag auf Installation beim Vermieter oder der Eigentümerversammlung zu begründen, würde damit entfallen.
Das Wirtschaftsministerium strebt zudem eine Anhebung der Leistungsgrenze von 600 auf 800 Watt sowie vereinfachte Meldepflichten für Steckersolargeräte an. Bisher müssen diese im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur eingetragen und beim Netzbetreiber gemeldet werden. Diese Doppelmeldung soll entfallen.
Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW), Carsten Körnig, begrüßte die Vereinfachungen, sprach zugleich aber von entsprechendem Handlungsbedarf für die größeren Dach- und andere Photovoltaikanlagen.
Der BSW erwartet, dass der Anteil, den Steckersolargeräte zur Deckung des Strombedarfs in Deutschland liefern, auch absehbar vergleichsweise gering bleibt. Doch die Geräte ermöglichten vielen Menschen eine aktive Mitwirkung und Teilhabe an der Energiewende «und erhöhen so auch die Akzeptanz der Erneuerbaren Energien», betont Körnig. Die Vorteile der Anlagen lägen in der technischen Einfachheit sowie in der kostengünstigen Anschaffung als Einstieg in die eigene Solarstromerzeugung für Mieterinnen und Mieter sowie Wohnungseigentümer. Zu ähnlichen Einschätzungen kommt auch das Bundeswirtschaftsministerium in seiner Photovoltaik-Strategie.
Innerhalb Deutschlands sind die im Marktstammdatenregister registrierten Anlagen übrigens recht ungleich verteilt. Besonders beliebt sind sie ausgerechnet im Norden Deutschlands. In Mecklenburg-Vorpommern kommen auf 1000 Einwohner 5 Anlagen, in Schleswig-Holstein sind es 4,2 und in Niedersachsen 3,8. Der Süden mit Bayern und Baden-Württemberg liegt dagegen unter dem deutschen Durchschnitt von 2,7. Schlusslichter sind die Stadtstaaten mit Werten zwischen 1 und 1,5. Sie haben angesichts ihrer Bebauungsstruktur aber auch schlechtere Ausgangsbedingungen für die Anlagen.